Herausforderungen für die Gestaltung eines nachhaltigen Wandels und sozialer Gerechtigkeit
 

Ich bin seit fast 20 Jahren Mitglied in unserer SPD und habe unsere Partei schon durch einige Höhen und Tiefen kommen und gehen sehen. Aber die Herausforderungen haben mich nicht von meinen Grundüberzeugungen abgebracht, dass wir, als Partei, die Leitlinien haben, die es braucht, um den Wandel in unserem Land nachhaltig zu gestalten, den Konsequenzen vergangener Versäumnisse entgegenzuwirken und den Menschen neue Perspektiven zu geben, an die sie glauben können.
Ganz im Gegenteil: Die Veränderungen in einer globalisierten Wirtschaftsordnung, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen durch die Digitalisierung, die fortschreitende Fragmentierung der internationalen Weltordnung (Multipolarisierung), die kaum beherrschbaren Konsequenzen der Klimakrise und die Auswirkungen globaler Mobilität haben uns vor Aufgaben gestellt, die nur noch mit pragmatischem Sachverstand angegangen und gelöst werden können, um unseren sozialen Frieden und Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten und neue Chancen zu schaffen. Das sind die Herausforderungen, die mich antreiben.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden wir Zeugen verschiedener Trends, die heute unser Leben bestimmen und unsere Gesellschaft auf die Probe stellen. 

  • Der Staat hat viel soziale Aufgabe übernommen. Das Aufbrechen traditioneller Formen der Gemeinschaft führte zu einer Form des Individualismus, in der jede und jeder für das eigene Schicksal verantwortlich ist. Anstatt des Rückhalts in Familien, Gemeinschaftliche Organisationen wie Genossenschaften und Verbänden wurden  die Risiken einer individualisierten Gesellschaft zunehmend dem Staat übertragen. Dadurch sind gerade die Aufgaben staatlicher Institutionen im sozialen Bereich gewaltig geworden. Die Frage ist wie Aufgaben an die Gesellschaft (ohne Privatisierungen) zurückgegeben werden können.
  • Die Digitalisierung hat unsere gesamte Kommunikation verändert. Wissen und Informationen sind jederzeit und überall abrufbar. Formen des Lernens, der Freizeitgestaltung, die Arbeitswelt, die Produktion und das öffentliche Leben befinden sich weiterhin in einem grundlegenden Wandel. Wie bei jeder großen Transformation gibt es Gewinner und Verlierer. Deutschland und Europa hängen bei den Technologien und Angeboten hinterher. Die großen Neuerungen und zentralen Anbieter befinden sich in den USA oder Asien. Diese waren oft auch eine Aufstiegschance für bisherige Entwicklungsländer. In Deutschland hingegen wurde die Digitalisierung oft wie eine Naturgewalten behandelt. Sie schürt Ängste und Zweifel, und ein neuer sozialer Konsens darüber, wie wir unsere Gesellschaft digital gestalten, wurde nur in Expertenforen diskutiert. Gleichzeitig sind in anderen Ländern in unserer Nachbarschaft digitale Systeme entstanden, die geholfen haben, in Verwaltung und anderen Bereichen des öffentlichen Lebens die Bürokratie abzubauen und das Leben einfacher zu gestalten.
  • Die globale Mobilität hat zu neuen Risiken und Herausforderungen geführt. Jenseits der öffentlichen Debatten über Migration steht Deutschland im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte. Daher bedeutet Standortpolitik nicht nur, Firmen mit Zukunftstechnologien anzusiedeln oder Rahmenbedingungen wie Infrastruktur bereitzustellen. Es bedeutet auch, attraktive Angebote im Bereich des Wohnungsbaus, der Familienpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und im Gesundheitswesen zu schaffen. Nicht nur Länder stehen im internationalen Wettbewerb, sondern auch die Regionen und Städte. Hier bedarf es einer realistischen öffentlichen Aufklärung.
  • Unsere demographische Entwicklung hat unweigerlich das Thema der Generationengerechtigkeit auf die Tagesordnung gebracht. Selbstverständlich gibt es, wie überall, Konflikte über unterschiedliche Lebensstile und die Kommunikation in der Arbeitswelt und im sozialen Rahmen. Auch die Konkurrenz an den Arbeitsmärkten hat die geburtenstarken Jahrgänge geprägt und damit auch nachfolgenden Generationen mit einbezogen. Beim Thema der Generationengerechtigkeit kann es nicht darum gehen, einen Spalt in die Gesellschaft zu treiben und damit auch die auf Solidarität und Umlage basierenden Sozialsysteme zu belasten. Es geht vielmehr um einen offenen Dialog im Umgang mit Themen der Renten- und Krankenversicherungen, sowie Pflegeleistungen. Es bedarf neuer Ansätze, bei denen auch die Belange der folgenden Generationen in die Debatte einfließen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass diese Solidarität in beide Richtungen gehen muss. Themen wie Investitionen, aber auch Lebensweisen der Zukunft und Klimaschutz müssen gemeinsam und nicht über Köpfe hinweg erarbeitet und beschlossen werden. Gerade mein Thema der Reform der Schuldenbremse muss klar sein, für welche Art der Verschuldung zukünftige Generationen aufkommen und wie sich diese Investitionen nachhaltig in ihre Arbeits- und Lebenswelt einfügen.
  • Die Entwicklung unserer Wirtschaft und damit die Zukunft Deutschlands als Industriestandort muss in einigen Sektoren grundsätzlich in Frage gestellt werden. Mit der Globalisierung von Wertschöpfungs- und Lieferketten sind viele Herausforderungen entstanden, denen bis heute nicht zufriedenstellend begegnet worden ist. Die Abhängigkeit von den globalen und großen nationalen Absatzmärkten (China, USA) macht die Wirtschaft anfällig für politische Entwicklungen und globale Krisen. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Fehleinschätzungen über die Entwicklung von Know-how und Technologien der nächsten Generation deutsche Firmen in die nachholende Entwicklung gezwungen haben. Die Transformation unserer Wirtschaft ist wichtig, um als führende Wirtschaftsnation Bestand zu halten und die Lebensstandards, wenn auch in veränderter Form, zu erhalten. Den Umbau kann die Wirtschaft nur mit ihren Investoren selbst leisten. Steuerungsmittel und staatliche Investitionen sollten nicht nur verwendet werden, um die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern auch um gezielt angestrebte Zukunftstechnologien zu fördern.
  • Die Klimakrise betrifft alle Aspekte des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens, die uns als Sozialdemokraten wichtig sind. Mittel- bis langfristig werden neue Verteilungskämpfe nicht nur international den Frieden gefährden, sondern auch zu Verschiebungen in Gesellschaften führen. Problemen wie unter anderem der Verteilung von knappen Allgemeingütern wie Wasser und der knapperen Nahrungsmittelversorgung muss sozial und technologisch vorgebeugt werden. Migration wird nicht länger nur eine wachsende internationale Herausforderung sein, sondern auch innerhalb Deutschlands eine Rolle spielen. Daher bedarf es nicht nur Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele, sondern auch Rücklagen für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels.
  • Migration ist zum populistischen Thema Nummer eins geworden, und auch Teile unserer Partei beteiligen sich mit verkürzten Aussagen an der öffentlichen Stimmungsmache. So werden Themen der Integration und Abschiebung kurzerhand zusammengeführt und Forderungen gestellt, die mit unserem Rechtsstaat nicht zu vereinbaren sind. Noch gravierender: Das Grundrecht auf Asyl wird in den Debatten immer wieder infrage gestellt. Das geschieht in einer Welt, in der Menschen in autoritären Systemen zunehmend der digitalen Überwachung ausgesetzt sind und Dissens hoch bestraft wird. Daher ist es für eine offene und solidarische Gesellschaft wie die unsere notwendig, dieses Grundrecht zu schützen und praktikable Maßnahmen zu schaffen, um den Missbrauch des Asylrechts frühzeitig zu unterbinden.
  • Die internationale Politik und Sicherheit haben sich in den vergangenen 30 Jahren schleichend, aber kontinuierlich verändert. Während im Westen die Überzeugung weit verbreitet war, dass eine liberale Weltordnung unter dem unipolaren Schutz der USA zu einer weltweiten Entwicklung im Handel und zur Demokratisierung führen würde, ist ein anderer Trend eingetreten. Heute gibt es eine große Zahl an autoritär geführten Staaten, neue Einflusssphären auf Kosten kleiner Staaten, den Aufstieg Chinas als erfolgreiche Wirtschafts- und Militärmacht sowie die Positionierung von Mittelmächten. Auch wenn die einzelnen Akteure unterschiedliche Motive besitzen, so hat sich ein Trend manifestiert: der Ruf nach einer (gerechteren) multipolaren Weltordnung. Den Weg dahin sehen viele in einer Selbstbehauptung, bei der auch direkte und indirekte militärische Mittel notwendig sind, um einen internationalen Status auf Augenhöhe zu erhalten. Die Reibungspunkte können bereits auf regionaler Ebene im Nahen Osten und Europa in heißen Konflikten beobachtet werden. Die Herausforderungen, Kriege zu vermeiden und eine friedliche Welt neu zu gestalten, sind groß und bedürfen diplomatischer sowie militärischer Mittel. Siehe auch eine ausführliche Darstellung unter diesem Link.
     

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